Lernatelier

Ein Interview mit den Schulgründern von der alternativen Schule im Gespräch mit Elke Sauter von BRETTEN.work

“Weil Lernen Spaß machen soll!”

Themen:
Warum gründet ihr das Lernatelier?
Wie funktioniert das praktisch?
Wie finanziert ihr euch?
Wie funktionieren die Bürgschaften?
Welche Klassenstufen unterrichtet ihr?
Sind die Abschlüsse vergleichbar mit staatlichen Schulen?
Macht ihr Homeschooling wenn die Regierung das vorschreibt?

Das Projekt hört sich sehr spannend an. Und ich habe gleich eine Menge Fragen.

Warum geht ihr den Weg der Schulgründung? Was ist eure Motivation? Warum denkt ihr, dass eine andere Schule nötig ist, um den Kindern gerecht zu werden?

Wir leben in einer vielschichtigen Welt, in der Diversität als wichtiges Gut angesehen wird und wir möchten im Bildungssystem unseren Beitrag leisten, dieser Diversität, der wir in der Gesellschaft begegnen, gerecht zu werden. Daher sehen wir uns nicht als DIE Lösung oder Schule für alle, sondern verstehen uns als ein alternatives Bildungsangebot, welches neben all den anderen Angeboten steht, und seine Berechtigung hat. Eltern und Kinder sollen die Möglichkeit haben, zu entscheiden, welche Schulart und welches Konzept auf ihre Persönlichkeit und ihre Wünsche passt. Daher möchten wir nicht in der Position sein, Kritik am herkömmlichen Schulsystem zu üben, sondern etwas Zusätzliches erschaffen und bereitstellen, was unserer Auffassung von Lernen und Leben sehr nahe kommt. Wir wertschätzen die Arbeit und Mühe unserer KollegInnen im bereits bestehenden Schulsystem sehr und möchten einfach eine zusätzliche Alternative anbieten.

“Weil Lernen Spaß machen soll!”

Wir gehen den Weg der Schulgründung, weil wir uns viel mit Lernen und Kindheit auseinandergesetzt haben. Mit der aktuellen Wissenschaft und Hirnforschung und mit den verschiedenen Lerntheorien. Wir haben uns viel damit beschäftigt, wie Kinder heute wachsen, was Kinder heute brauchen, wie unsere Gesellschaft sich entwickelt und was Kinder später brauchen, um in dieser Gesellschaft ihren Platz zu finden. Wir sehen, dass diese Gesellschaft kreative Problemlöser braucht, die Freude am innovativen Arbeiten haben und selbstbewusst und teamfähig sind. Wir sehen, dass die heutige Gesellschaft vor vielen Herausforderungen steht, denen wir mit neuen Ideen, alternativen Denkmodellen und einem Entdeckergeist begegnen müssen. Wir glauben, dass selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Lernen dazu führt, diese Herausforderungen angehen zu können. Wir glauben auch, dass ein demokratisches Schulleben den Kindern die Möglichkeit gibt, sich früh mit sich auseinander zu setzen, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse und die der Anderen zu spüren und herauszufinden, wer sie sind in dieser Welt, wo ihre Begabungen liegen und wie sie sich einbringen können.

Die Lernfreude, die die Kinder in sich tragen nutzen.

Wir glauben, dass Lernen vor allem dann nachhaltig ist, wenn positive Emotionen damit verknüpft sind. Das Lernen immer passiert und Kinder dazu geboren sind, um zu lernen. Kinder kommen mit einem unglaublichen Potential auf die Welt und wir möchten sie auf ihrem Weg begleiten, dieses eigene in ihnen wohnende Potential zu entfalten. Wir glauben, dass Druck zu Widerstand führen kann und möchten daher eine Atmosphäre schaffen, in der kreative Schaffenskraft aus intrinsischer Motivation heraus entstehen kann. Wir möchten Räume bieten für Selbstentfaltung und glauben daran, dass Zeit das Wichtigste ist, was man zum Lernen braucht. Wir sehen in den reformpädagogischen Ansätzen die Möglichkeit, dass Kinder in ihrem individuellen Tempo das Lernen, was ihrer Entwicklung gerade entspricht.

Individuelle Wochenpläne, Projektarbeiten, gemeinsame Lern- und Arbeitszeiten, Feedbackgespräche, sowie die Würdigung des kindlichen Spiels als große Lernressource sind Methoden, die wir nutzen, um gemeinsam das Schulleben zu gestalten.

Wir setzen auch auf eine vorbereitete Umgebung. Das heißt, die Schule und die Lernräume werden so gestaltet, dass sie zum Forschen und Entdecken einladen, dass die Kinder selbstständig arbeiten können und gemeinsam in kleinen Gruppen ihren Fragen nachgehen können. Wichtig ist uns, eine Arbeitsatmosphäre zu etablieren, in der die unterschiedlichen Bedürfnisse gesehen werden und jedes Kind sich entfalten kann. Um unser Schulleben stets zu reflektieren und den Bedürfnissen aller Beteiligten anzupassen, treffen wir uns täglich mit den Kindern um den Schultag zu besprechen. Außerdem findet wöchentlich eine Schulversammlung statt, in der alle Fragen rund um das gemeinsame Leben und Arbeiten besprochen werden, wo Probleme gelöst und diskutiert werden und jedes Kind eine Stimme hat, die gehört wird und zählt.

Im September geht es los mit eurem Schulbetrieb! Was habt ihr für Erwartungen? Auf was freut ihr euch? Welche Klassen bietet ihr zum neuen Schuljahr an?

Wir haben Ende Juli unsere Genehmigung erhalten und starten im September mit 20 Kindern der Klassen 1 und 2. Wir freuen uns sehr auf die Kinder, welche wir bereits kennen gelernt haben. Wir freuen uns auch auf die Zusammenarbeit mit den Eltern, die uns sehr engagiert und hilfsbereit in den letzten Wochen unterstützt haben.

Wir sind sehr gespannt auf den neuen Schulalltag und sind mit unseren Lehrkräften gut aufgestellt. Wir schauen zuversichtlich auf den September. Erwartungen halten wir erst einmal zurück und sind einfach freudig gespannt auf die Gruppe, auf die einzelnen Kinder und das gemeinsame Arbeiten. Wir werden die ersten Wochen dazu nutzen, uns kennen zu lernen, das Schulgebäude und die Umgebung zu erkunden und die Kinder in das Freie selbstbestimmte Arbeiten einzuführen und darin eng zu begleiten. Wir werden viel gemeinsam sprechen, die Kinder dort abholen wo sie stehen und darauf hinarbeiten, dass wir eine Gruppe sind, in der sich die Kinder wohl fühlen, sich einbringen können und Lust bekommen, mit uns gemeinsam zu arbeiten.

Wir haben in den letzten Monaten viel vorgearbeitet, haben ein ausgereiftes pädagogisches Konzept und verfügen über eine Palette von Methoden und didaktischen Mitteln, die wir für das freie Lernen geeignet finden. Wir haben uns wissenschaftlich und fachlich fundiert viele Gedanken um den Erstleseprozess und das Erlernen von mathematischen Fähigkeiten gemacht und sind gleichermaßen vorbereitet auf naturwissenschaftliche Projekte, viel freies Spiel und gemeinsame Ausflüge. Wir sind auch darauf vorbereitet, flexibel auf die Ideen der Kinder zu reagieren und Interessen aufzugreifen, die in der Gruppe auftreten. Wir sind voller Vorfreude und gleichzeitig auch sehr gespannt und selbst etwas aufgeregt 😊

Welche Abschlüsse können die Kinder bei euch machen? Sind diese vergleichbar mit den Abschlüssen anderer Schulen? (z.B. VERA)

Geplant ist, dass in den nächsten Jahren noch eine Sekundarstufe hinzukommt. Die Kinder sollen von Klasse 1-10 an unserer Schule bleiben und sich bei uns auf den Werkrealschulabschluss vorbereiten können. Diesen können sie extern an einer Kooperationsschule ablegen. Im Anschluss haben sie die Möglichkeit in einen Ausbildungsberuf zu gehen oder eine weiterführende Schule zu besuchen. Die langjährige Erfahrung anderer freier Schulen mit vergleichbarem Konzept zeigt, dass die Kinder den SchülerInnen staatlicher Schulen nicht nachstehen in ihren Ergebnissen.

Wie finanziert ihr euer Vorhaben? Werden die Kosten durch Schulgeld gedeckt? Wie läuft das mit den Bürgschaften? Bekommt ihr Zuschüsse vom Staat?

Unsere Schule bekommt erst nach einer Wartefrist von drei Jahren staatliche Zuschüsse. Um diese Zeit zu überbrücken, haben wir bei der GLS Gemeinschaftsbank eG einen Kredit aufgenommen. Wir sichern ihn mit Kleinbürgschaften ab.

Um eine Bürgschaft von 500 – 3.000 Euro zu geben, ist keine Hinterlegung des Geldes bei der Bank nötig, es erfolgt auch keine Bonitätsprüfung. Es fallen keine Zinsen oder sonstigen Gebühren an.

Eine Bürgschaft bedeutet, dass man nur im Falle eines etwaigen finanziellen Konkurses unserer Schule einspringt, was aber relativ unwahrscheinlich ist. Unser Projekt und unser Finanzplan wurden von der GLS-Bank eingehend geprüft.

Leider können Unternehmen nicht bürgen, aber Unternehmerinnen und Unternehmer können als Privatpersonen bürgen. Gern nehmen wir den Namen des Unternehmens unter unseren Unterstützern auf.

Die Kosten werden nicht durch das Schulgeld gedeckt, sie sind nur ein Teil der finanziellen Stemmung.

Wer uns also unterstützen möchte, kann gerne eine Bürgschaft für uns übernehmen. Darüber freuen wir uns sehr.

Könnt ihr homeschooling durchführen?

Kommt es zu der Situation, dass Homeschooling wieder nötig ist, führen wir Homeschooling durch. Wir verfügen über die technischen Mittel und über ausreichend Lehrkräfte, die das Homeschooling begleiten und mit schönen Ideen und liebevoller Arbeit das Beste aus der Situation herausholen werden.

Gelände lernatelier

Webseite: https://lernatelier-ev.com/

E-Mail info@lernatelier-ev.com

Uns ist wichtig zu betonen, dass wir uns als Teil der Gesellschaft sehen und freuen uns über jeden Kontakt und jede Kooperation mit Menschen, Vereinen und Firmen aus unserem Umfeld. Wir leben nach dem Grundsatz, dass unsere Freiheit so weit reicht bis zu der Grenzen des Anderen und möchten uns in der Gesellschaft einbringen.

Ich danke Euch sehr für euer Engagement für die Kinder. Und dafür dass ihr eine bessere und gerechtere Welt schaffen wollt.

Elke Sauter